Inhaltsverzeichnis
Aussageverweigerung
Hier findest du:
- Warum Aussageverweigerung dich und andere schützt
- dass Aussageverweigerung als Beschuldigte*r keine rechtlichen Konsequenzen hat
- Warum Aussageverweigerung für die Bewegung wichtig ist
- hilfreiche Links
Wer schon mal auf einer Demonstration war, wird festgestellt haben, dass die Polizei immer dabei ist. Und es ist ganz unbedeutend, ob das Anliegen „legitim” oder „gerecht” ist. Der Ablauf wird dokumentiert, es wird versucht, die Teilnehmenden zu identifizieren und damit Erkenntnisse über die sozialen Bewegungen zu gewinnen. Staatliche Behörden sehen es als eine Gefahr an, wenn Menschen sich organisieren, um die sozialen Verhältnisse zu ändern. Denn Proteste und Widerstand – etwa gegen Kriegspolitik, Abschiebungen, die kapitalistische Globalisierung oder Atomtransporte – werden auch immer wieder dazu führen, dass Menschen nicht nur gegen diese Missstände angehen, sondern sie als Resultat aus dem kapitalistischen System begreifen und damit auch beginnen die bestehenden Machtverhältnisse zu hinterfragen. Deshalb versucht der Staat jede Opposition schon von vornherein im Keim zu ersticken und überzieht jede fortschrittliche Bewegung mit Repression. Aber auch jeder einzelne Mensch, der z.B. von seinem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch macht, ist der Exekutive erstmal verdächtig. Es gilt diese Repression gemeinsam abzuwehren. Die Abwehr beginnt mit dem Mundhalten bei Polizei und Staatsanwaltschaft; nicht nur um die Genoss*innen, sondern auch um sich selbst zu schützen. Denn bei jeder Festnahme und jedem Strafverfahren wollen Polizei und Justiz neben der Repression gegen Einzelne immer auch Informationen über politische und sogar persönliche Zusammenhänge gewinnen. Dagegen hilft nur Mund halten: Alles was du sagst werden die Sicherheitsorgane gegen dich und uns verwenden.
Die „Rote Hilfe Wien“ hat eine sehr eingängige Hilfestellung zur Aussageverweigerung geschrieben.
Manchmal will die Polizei dich zu scheinbar „harmlosen” oder „entlastenden” Aussagen überreden. Aber es gibt keine „harmlosen” Aussagen. Jede Äußerung hilft der Polizei immer bei ihren Ermittlungen, entweder gegen dich oder gegen andere. Scheinbar „entlastende” Aussagen können entweder andere belasten, oder der Polizei Tipps geben, nach weiteren Beweisen gegen dich zu suchen oder sie zu erfinden. Es ist einfacher gar keine Aussage zu machen als dich darauf zu konzentrieren, was du möglicherweise sagst und wen du damit noch gefährden könntest.
Jede Info kann Teil einer Anklagekonstruktion werden, kann gegen dich und andere verwendet werden! Sag am besten gar nichts.
Das ist das beste für dich und alle anderen Betroffenen. Nichts zu sagen heißt, auch wirklich nichts zu sagen: kein „Ich weiß nicht“, „Ich war gar nicht dabei“, „Ich hab eh nichts getan“… Denn wenn du einmal anfängst zu reden und sei es scheinbar noch so belanglos, dann werden die Bullen nachhaken und alles gegen dich verwenden. Du darfst nie vergessen, dass sie lediglich BELASTENDES Material gegen dich sammeln! Entlastendes Material ist nur für deine*n Anwält*in wichtig! Also liefere den Bullen keine Möglichkeit, deine Verteidigung nach ihren Wünschen zurechtzubiegen! Die einzigen Daten, die Du angeben musst, sind: Name – Adresse – Geburtsdatum! Wenn Du minderjährig bist: die Namen deiner Erziehungsberechtigten.
Juristisch
Die Aussageverweigerung ist ein Recht. Die Wahrnehmung dieses Rechts, bietet vorerst (d.h. vor rechtskundiger Beratung, Akteneinsicht etc.) den bestmöglichen Schutz vor der Eröffnung eines Verfahrens und – wenn ein Verfahren eingeleitet wird – die besten Vorraussetzungen für eine optimale Verteidigung. Wie bereits gesagt, eine Aussage bei der Polizei ist ein ermittlungsschritt GEGEN die “Verdächtige Person”.
Deshalb berufst du dich auch als Zeug*in oder Geschädigte*r auf das Entschlagungsrecht und machst keine Aussage: “Ich entschlage mich der Aussage, um nicht die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung einzugehen.”
Sicher ist, dass Aussagen immer Nachteile mit sich bringen. Daher empfiehlt die Rechtshilfe gegenüber Polizei und Untersuchungs-Richter*innenschaft die Aussage zu verweigern und Beweise erst im eventuellen Gerichtsverfahren zu präsentieren. Das bietet die bestmögliche Verteidigung.
Politisch
Bei einem Angriff gegen dich als politisch aktive Person bist nicht du als Individuum gemeint, sondern die Opposition/der Widerstand/die Bewegung als gesamtes und zwar ohne einen Unterschied zu machen welcher Mittel du bzw. die gesamte Bewegung sich bedient. Ziel für jeden Staat ist es, keine nennenswerte (außerparlamentarische) Opposition/ Widerstand/ Bewegung im eigenen Land zu haben. Bilder von prügelnden Polizist*innen sollen im Fernsehen nicht vorkommen.
Auch die Justiz schützt den Staat und die Herrschenden. Wieviele Gesetze hast du schon gemacht, wieviele sind in deinem Interesse, wieviele Urteile hast du schon gefällt? Wir sehen die kollektive Aussageverweigerung als solidarisches Zusammenstehen der Bewegung. Wenn wir bei der Polizei sitzen oder vor dem Richtertisch stehen, müssen wir uns immer vor Augen halten, dass wir nicht persönlich gemeint sind, sondern stellvertretend für die Opposition/den Widerstand/die Bewegung hier sind. In solchen Situationen schützt die Polizei/das Gericht nicht das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit und Meinungsfreiheit, sondern versucht mit repressiven Maßnahmen Aktivist*innen, Demonstrant*innen, Passant*innen, Bürger*innen mit Zivilcourage einzuschüchtern, mit zeitaufwendigen Verfahren einzudecken und zu verurteilen. Wir rufen alle dazu auf, daran nicht mitzuarbeiten. Die Aussageverweigerung ist ein Mittel dazu. Warum sollten wir ihnen
irgendwelche Informationen über uns preisgeben?
Keine Zusammenarbeit mit den Repressionsbehoerden!!!
Unsere Solidarität gegen ihre Repression
Leider kommt es vor allem bei der Polizei immer wieder zu Aussagen. Viel zu oft wird davon ausgegangen, dass das Wissen über den richtigen Umgang mit der Staatsgewalt selbstverständlich ist, jedoch ist dies vor allem bei neuen Bewegungen und Gruppen oft nicht der Fall. Das heißt, das Thema Aussageverweigerung darf nicht als eine Kampagne begriffen werden, sondern muß permanent ein Bestandteil der politischen Arbeit sein. Nur dann können wir einigermaßen sicher sein, dass auch die neu dazugekommenen Genoss*innen schon mal was davon gehört haben und es den anderen wieder in Erinnerung gerufen wird.
Damit sind wir auch bei den wichtigsten Punkten angelangt: Aufklärung alleine wird nichts helfen, wenn die von Repression Betroffenen mit den Folgen alleine gelassen werden, aber von ihnen gefordert wird, dass sie keine Aussagen machen sollen. Ein verantwortlicher Umgang beginnt nicht erst, wenn es ernst wird. Dies bedeutet, sich gemeinsam auf Situationen vorzubereiten, in denen eine Person oft alleine steht. Wir müssen der durch Repression verursachten Vereinzelung unsere Solidarität entgegensetzen. Meldet jede Festnahme, jede Vorladung zur Polizei oder Staatsanwaltschaft den Rechtshilfegruppen. Plant und führt die Prozesse kollektiv! Alle bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Aussagen vor allem ein Ausdruck der Schwäche politischer Strukturen sind. Aussagen werden gemacht, wenn sich Menschen mit den Folgen ihrer politischen Aktivität alleine gelassen fühlen und daher versuchen, für sich das scheinbar Beste aus der Situation zu machen.